Mehr über Fehler reden, um Fehler zu vermeiden?

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Eine Patientin liegt mit stolzen 102 Jahren auf der Geriatrie-Station. Ihr Lebensende ist gekommen. Sie wohnte viele Jahre bei ihrem Sohn und der Schwiegertochter in einer eigenen kleinen Wohnung. Friedlich und verträglich. Lebendig und interessiert. Ein entzückender Mensch geht von dieser Welt. Ihre Kinder, Schwiegertöchter und Enkelkinder sind da. Die Ärztin begleitet die Familie und sagt: Hier fehlt noch jemand. Zwei Enkelkinder sind noch viele Kilometer entfernt. Sie können erst am Wochenende kommen. Am Samstag kommt die ganze Familie, um sich zu verabschieden. Am Abend schläft die Patientin friedlich ein. Die Ärztin öffnet das Fenster und sagt: Nun muss die Seele noch aus dem Raum dürfen. Die Familie fühlt sich sicher begleitet und bis zum Ende ihrer Angehörigen gut aufgehoben.

Wie macht man ein Krankenhaus sicher? Wie begleitet man einen unsicheren Prozess oder gar eine Transformation im Unternehmen? Wo wird bei Ihnen im Unternehmen über Erfolge und über Fehler gesprochen? Ein Krankenhaus ist wie eine Fluglinie: Patienten wollen nicht 0,1 Prozent Risiko eines Behandlungsfehlers. Sie wollen ebenso wie Fluggäste 0,0000000 Prozent Risiko eines Fehlers. Und doch sind beides komplexe und fehleranfällige Branchen. Und es muss mehr über Fehler gesprochen werden, um an Ende weniger Fehler zu machen.

Psychologische Sicherheit ist die Überzeugung, dass die Arbeitsumgebung sicher genug ist, um darin zwischenmenschliche Risiken einzugehen. Es ist kein Persönlichkeitsmerkmal, sondern ein Merkmal des Arbeitsplatzes, zu dessen Schaffung Führungskräfte beitragen können und müssen.

Das bezieht sich auf die Erfahrung, sich mit relevanten Ideen, Fragen oder Bedenken äußern zu können. Psychologische Sicherheit stellt sich ein, wenn die Kollegen einander vertrauen und sich bereit fühlen (oder sogar verpflichtet fühlen), aufrichtig zu sein. Und es benötigt Sicherheit in einer globalen Welt, die immer mehr Flexibilität und Strapazierfähigkeit fordert.

Warum reden wir also (nicht) miteinander?!
Bei Untersuchungen zu Behandlungsfehlern hat die Psychologin Amy Edmondson festgestellt, dass leistungsstärkere Teams folgende Unterschiede signifikant aufzeigten:
• gegenseitiger Respekt
• mehr Zusammenarbeit
• mehr Selbstvertrauen in ihre Fähigkeit, hervorragende Ergebnisse zu erreichen
• mehr Zufriedenheit
• höhere Rückmeldung von Fehlern in der Stationsarbeit
• weniger Fehler insgesamt

Schweigen und fehlende Kommunikation sind in einem komplexen und fehleranfälligen System wie dem Gesundheitswesen ein Grund für ein höheres Aufkommen von Behandlungsfehlern.

Psychologische Sicherheit ermöglicht die Kommunikation über Fehler und erhöht damit die Patientensicherheit.

Was genau IST Psychologische Sicherheit:
• Aufrichtigkeit
• sich äußern
• Ideen einbringen
• Fehler ansprechen
• Meinungsverschiedenheiten produktiv nutzen

Was genau ist Psychologische Sicherheit NICHT:
• immer nett sein
• Leistungsstandards senken
• immer einer Meinung sein
• ständiges Lob

Rituale für Psychologische Sicherheit gibt es einige. Wie gestalten wir Räume einladend und sicher? Nützlich im Gesundheitswesen ist zum Beispiel die Frage: Ist diese Woche alles so sicher abgelaufen, wie Sie es sich für die Patienten gewünscht haben?

In zahlreichen Supervisionen und Teamcoachings ist der Druck, die Aggressivität und die fehlende Kommunikation zu Fehlern und Missverständnissen immer wieder auf das gemeinsame Ziel der Patientensicherheit zurückzuführen.
Das nimmt den Druck aus der Situation und lässt hinter das verärgerte Verhalten schauen. Und ermöglicht dann im nächsten Schritt wieder klare und aufrichtige Kommunikation und somit weniger Fehler und mehr Patientensicherheit.