Über den Mut klein zu denken

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Schlechte Stimmung ist ansteckend. Gute Stimmung leider auch. Ob man will oder nicht. Auch der Leichtigkeit kann man sich oft nicht entziehen.

Es muss nur jemand damit anfangen. Es reicht, wenn schon eine Person mal KEINE schlechte Laune kriegt – oder nicht mit einem bissigen Kommentar zurückfaucht, dann hilft das sofort, dass sich nicht alle weiter in den negativen Strudel ziehen lassen.

Bei uns im Dorf, in dem ich aufwuchs, gab es einem Fachhandel für Büro- und Künstlerbedarf. Mit 6000 Artikeln und 5 Mitarbeiterinnen war es der am besten sortierte Fachhandel im Landkreis. Jährlich gab es sowohl für Kinder als auch Erwachsene Events, Wettbewerbe und Kundenveranstaltungen. Unter anderem vor 20 Jahren einen Wettbewerb zur Aschenputtel-Prinzessin. Die Kinder konnten im Kostüm kommen. Es gab einen Schuh, der anprobiert werden konnte. Zahlreiche verkleidete Kinder kamen und probierten den Schuh an.

Und der Schuh passte am Ende – einem Jungen in einem wunderschönen Kleid. Es gab Getuschel und Irritationen. In den 90ern auf dem Dorf war Homosexualität und Männer in Frauenkleidern ok, aber bitte nicht in der eigenen Familie. Und was machte meine Mum? Sie feierte. So wie mit jedem anderen Kind auch feierten wir mit ihm, seinen Eltern, den anderen Familien und der Presse diesen schönen Moment. Und das Wichtigste an dieser Situation war: totale Normalität. Sie ließ sich NICHT anstecken von seltsamem Getuschel.

Es benötigt immer jemanden, der den Vorwurf, die Diskriminierung – oder eben das Wetter – nicht ernst nimmt. Für Leichtigkeit und Humor braucht es jemanden, der die Perspektive wechselt und etwas NICHT zum Drama macht. Humor bedeutet einen Schritt zurückzutreten vom Problem.

Die Weltlage, die Politiksorgen, der Winterblues: das nimmt uns unterschiedlich mit. Das liegt an unserer sogenannten Disposition für Stress. Wir sind unterschiedlich anfällig für persönliche, gesellschaftliche und klimatische Krisen. Das können wir nicht verändern.

Aber unsere Ressourcen im Umgang mit unserer Dünnhäutigkeit können wir stärken. Also die Gedanken, die Kommunikation und die Strategien im Umgang mit einer dunkleren Zeit. Und als Strategie meine ich nicht, zu sagen: „Nimm’s doch mal locker“ oder „Mach es Dir doch nicht so schwer“.

Ressourcen stärken bedeutet, in kleinen Schritten mit den Gedanken woanders abbiegen dürfen als sonst.

Sich von einem kleinen Lacher anstecken lassen. Sich bewusst in Situationen begeben, die wärmen, auch an kalten Tagen. Mut zu kleinen Schritten hilft bei Dünnhäutigkeit oft mehr als die große Forderung, es doch mal locker nehmen zu müssen. Erst Recht, wenn wir uns mit Menschen im Coaching oder in der Therapie befinden. Die oft in Anforderungen oder Problemen bzw Lebenslagen stecken, in denen sie wieder mehr Bewegung brauchen.