Was in Führungsetagen gilt, gilt leider auch auf Comedy-Bühnen: Die britische Website Chortle listet alle in Großbritannien hauptberuflich tätigen Comedians auf. Den 269 weiblichen Comedians stehen 1279 männliche Comedians gegenüber. In Deutschland ist es ähnlich. Comedy war lange ein klassisch männliches Stand-Up Format. Das ändert sich glücklicherweise. Während vor 20 Jahren bei der Frage nach dem lustigsten Comedian meist Männer genannt wurden, fällt die Antwort heute schon sehr bunt aus. Und das Klischee, Frauen hätten weniger Humor, ist glücklicherweise zunehmend veraltet.
Unsere Humorforscherin Prof. Tabea Scheel hat noch vor einigen Jahren in vielen Pressartikeln und Radiobeiträgen Stellung genommen zu einer Veröffentlichung, die besagte, dass Männer humorvoller sind als Frauen und in ihrer Karriere mit Humor mehr Vorteile hätten: Männer, das humorvolle Geschlecht?
Doch all diese Statistiken hinter uns lassend, sieht unser Alltag als Humortrainerin oft anders aus: Unsere Teilnehmer wollen ihren humorvollen Fingerabdruck verbessern: Introvertierte Maschinenbauer, humorvolle Rechtsanwältinnen, humorlose Schulleiter und extrovertierte Trainerinnen. Wir haben im Training wenig Zeit für Klischees. Wir arbeiten immer mit dem, was im Raum ist. Und das sind erstaunlich viele Menschen, die einfach Lust haben, ihre Dosis von Humor im Alltag zu verbessern und Leichtigkeit wohlwollend einzusetzen.
Also ran an die Frage, wie wir die immer noch ungleiche Situation aushalten und verändern können. Humor ganz konkret auf dem Weg zu mehr Gleichberechtigung einsetzen können: Der Komiker Stermann fragte Hazel Brugger, Schweizerische Comedian: „Findest Du, dass Frauen lustiger sind? Oder Männer?“ Brugger: „Ich finde Männer nackt lustiger. Das hat so eine ungewollte Dynamik.“ Und in einem Interview fragte ein Journalist Hazel Brugger: „Wie ist es so, als Frau in der Comedy-Szene?“ Ihre Antwort: „Wie ist es so, als Mann, wenn einem keine schlauen Fragen einfallen?“
Wenn ich von Männern gefragt werde, was sie tun können, um Frauen bei der Gleichberechtigung zu unterstützen, antworte ich meistens: die Wäsche. Das bringt das Problem bei der Gleichberechtigung doch pragmatisch sehr simpel und ernsthaft witzig auf den Punkt. Nur dann liebe Frauen, müsst Ihr Eure Männer die Wäsche auch machen und die Kinder auch betreuen lassen. Und nicht tausend Gründe finden, warum sie das schlecht machen.
Oder wie wäre es mit folgendem Plakat: „Diese Werbung ist nur für Männer!“ Vier Lippenstifte auf knallrotem Hintergrund. Jeder etwas weiter herausgedreht. An jedem Lippenstift eine steigende Prozentzahl. Schon bei 30 Prozent mehr Frauen in Führung ergibt das 15 Prozent mehr Produktivität in Ihrem Unternehmen.
Geschmunzelt? Sehr schön. Die humorvolle L’Oréal-Kampagne zur Unterstützung von Frauen in Führung ist eine von vielen humorvollen Ideen, um Frauen in Spitzenpositionen zu fördern.
Das Thema Gleichberechtigung und gendergerechte Sprache ist wichtiger und sensibler denn je. Doch viele Diskussionen um Gender-Sternchen, Formulierungen wie ProfessorX und andere methodische Vorschläge machen Männer ebenso wenig zu Feministen wie die Gesellschaft sprachsensibler. Denn alle sind nur genervt von komplizierten neuen Lösungen. Wir brauchen sie jedoch ganz dringend, die männlichen Feministen und die gendersensible Sprache. Denn Sprache schafft Identifikation. Es ist längst überfällig, sich auch zu diesem Thema einen Gefährten zu wählen, der Aufmerksamkeit schafft und Veränderungen stabil ermöglicht: wie wäre es mit dem Humor – oder gar HumorX (m/w/d)?
Franzi Kühne beschäftigt sich in ihrem Buch „Was Männer nie gefragt werden“ genau mit dieser Art von Fragen und sorgt für einen ordentlichen Perspektivwechsel. Ihre Interviews sind irritierend und wirklich lustig. Vor allem verdeutlichen sie den geschlechtsspezifischen Unterschied von Interviewfragen. Etwa:
• „Herr Maas, Sie tragen meist Anzug und Krawatte – das ist Standard in der Politik, oder?“
• „Mussten Sie sich zwischen Kindern und Ihrem Start-up entscheiden, Herr Zeiler?“
Claudia Panster vom Handelsblatt findet das Buch „äußerst unterhaltsam“, „was zum Teil an den Antworten der Herren liegt, zum Teil an Kühnes von trockenem Humor geprägten Einordnung“.
Julia Brandner macht es bei ihren Videos auf Social Media ganz ähnlich. Sie nimmt klischeehafte Kommunikation auf die Schippe. Ganz sparsam und mit Leichtigkeit und trotzdem hochwirksam und nicht zimperlich. Sie nimmt sowohl Zuschreibungen von Männern als auch von Frauen aufs Korn. Z. B. in ihrem Video „Wenn man mit Männern so reden würde wie mit Frauen“: „Wie jetzt, Markus? Du willst keine Kinder?! Was machst du denn dann mit deinem Leben?“ Oder: „Was hatten Sie denn an, als die Frau Schneider sie ‚unsittlich‘ berührt hat? Das kurzärmlige Poloshirt. Ja, wissen Sie, das ist natürlich ein bisschen heikel, weil bei nackten Oberarmen bei Männern – da können wir Frauen uns halt einfach nicht beherrschen… Also wenn Sie nicht wollen, dass so etwas noch einmal passiert: einfach ordentlich anziehen.“
„Herr Müller, wie verbinden Sie eigentlich drei Kinder mit Ihrer Arbeit?“
Aber auch die Frauen kommen nicht ungeschoren davon, auch hier werden Geschlechterrollen und -zuschreibungen ironisch betrachtet: „Ach, Jule, bist du zu schwach, die Couch anzuheben? Was bist du denn für eine unnütze Frau?“ Oder, die Frau steht in der Küche, ihr Freund kommt dazu und sagt: „Was machst du da? Bitte, lass das! Ihr Frauen kennt euch in der Küche einfach nicht aus!“ Dieser Humor verdeutlicht. Rüttelt auf. Lädt zur Diskussion ein
Wir dürfen also weitergehen. Die Zuschreibungen, Frauen können keine Comedy auf der Bühne oder Frauen sind weniger witzig, hinter uns lassen. Uns als Gesellschaft weiterentwickeln. Und selbst bereits Kindern bzw. Mädchen beibringen und zutrauen, Witze zu erzählen und komisch zu sein. Frauen fällt es oft leichter als dem Standard-Alphamännchen, sich mal selbst auf die Schippe zu nehmen. Das bedeutet aber keineswegs, dass sie weniger erfolgreich sind.
Im deutschen Sprachraum gibt es viele Frauen in der Marketingführung: Michaela Holzäpfel ist Marketingleitung bei Ritter Sport in Deutschland, Birgit Nimke-Slowinski ist Marketing-Leiterin bei der Berliner Stadtreinigung, Ursi Kotratschek ist Marketing-Chefin beim Smoothie-Hersteller Innocent in Österreich. Und all diese Unternehmen nutzen im Marketing sehr erfolgreich sozialen Humor, der die Marke bekannter und beliebter macht.
Humor von und für Frauen kann also sehr erfolgreich eingesetzt werden – im Marketing, auf der Comedy-Bühne, auf dem Buchmarkt, zur Stärkung des Selbstbewusstseins und für die Förderung von Frauen in Führungsetagen. Feminismus muss – wie viele ernste Themen – nicht unbedingt nur bierernst sein. Oft hilft ein Quäntchen Humor, für Aufmerksamkeit zu sorgen oder ermöglicht wertvolle Perspektivwechsel, die dann den Weg für mehr Gerechtigkeit und Gleichberechtigung ebnen.
Den vollständigen Artikel finden Sie bei Focus.